8 min - Finisage
Sebastian Maiwind und Ramona Seyfarth
Finissage, Sonntag, 27. August 2023, 17 Uhr, der Ausstellung „8 min“ mit Werken von Sebastian Maiwind und Ramona Seyfarth
Sie erwartet eine Lesung aus „An das Meer“ mit Fotografien von Japanischen Tsunamischutzmauern von Sebastian Maiwind und anderen Texten mit Susanne Bliemel (u.a. „Von den Fischer und siine Fru.“),
und eine Kunstaktion mit Ramona Seyfarth,
sowie ein Künstlergespräch über die Zeit, Licht, Schatten, Götter und die Welt.
Finissage, Sonntag, 27. August 2023, 17 Uhr, der Ausstellung „8 min“ mit Werken von Sebastian Maiwind und Ramona Seyfarth
Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch. Er ermüdet der Götter höchste Erde, die ewige, nimmer ermattende. Des Rates allerfüllt ist er ratlos nie für die Zukunft. Einem allein, weiß er nimmer zu entfliehen …“
Sophokles
8 Minuten benötigen die Fäden des ewigen Lichtes mit einer Geschwindigkeit von mehr als einer Milliarde km/h, um von der Sonne aus auf die Erde zu treffen. Ein Geflecht aus Sonnenstrahlen, die sich bündeln lassen und zerstreuen. Licht, das zersplittert zu Farben, reflektiert auf den Wellen des Meeres, das die Erdoberfläche beleuchtet und wärmt.
Lichtstrahlen gebündelt zu Fotografie, Mensch, Welt, Land und Meer belichtend. Zeilen gewebt und geknotet zu Text. Wort für Wort verwoben im Textil.
Und immer geht es ums Ganze – dem Dunkel Zeit abzuringen und zu entfliehen, der Zukunft nicht mit Endlichkeit, sondern mit klugem Rat zu begegnen.
Nichts ist ungeheurer als der Mensch, der Naturgewalt ausgesetzt bleibt oder sie bezwingt?
Lesung aus „An das Meer“ mit Fotografien von Japanischen Tsunamischutzmauern von Sebastian Maiwind und anderen Texten mit Susanne Bliemel* (u.a. „Von den Fischer und siine Fru.“)
Kunstaktion mit Ramona Seyfarth
Künstlergespräch über die Zeit, Licht, Schatten, Götter und die Welt
Text: Susanne Bliemel
*Susanne Bliemel, geboren 1968 in Schwerin, studierte Germanistik und Slawistik in Güstrow, Odessa und Greifswald. Sie arbeitete 25 Jahre als begeisterte Sprach- und Literaturlehrerin, insbesondere für das Niederdeutsche. Sie war Beauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern für Niederdeutsch und Heimat und sammelte vielfältige Erfahrungen in der Bildungs- und Kulturpolitik. Sie lebt heute als freiberufliche Autorin, Übersetzerin, Sprach- und Kulturvermittlerin in Mecklenburg und moderiert seit 2001 im NDR 1 Radio Mecklenburg-Vorpommern den plattdüütschen Radiotalk „De Plappermœhl". Für ihr vielfältiges Engagement für die niederdeutsche Sprache wurde ihr 2020 der Fritz-Reuter-Preis der Carl-Toepfer-Stiftung Hamburg verliehen.
Manchmal muss es einen Riss in unserem gewohnten Alltag geben, ein Schock oder eine tiefgreifende Erinnerung oder Einsicht, um die Zeit, die wir leben, bewusst wahrzunehmen und wertzuschätzen. Was ist ein Tag, eine Stunde, eine Minute oder gar Sekunde in unserem Leben? Haben wir etwas bewusst gesehen, eine akustische Entdeckung gemacht, einen besonderen Geschmack auf der Zunge gehabt, den wir nicht mehr vergessen oder einen einzigartigen Gedanken entwickeln können?
Zuweilen reicht aber auch der besondere künstlerischen Blick, um Zeit bewusst zu reflektieren und zu genießen.
Die Ausstellung „8 min“ der beiden Künstler Ramona Seyfarth und Sebastian Maiwind geht auf ebendiese Spurensuche der Zeit und präsentiert den Besuchern ästhetische und emotional sehr berührende Wahrnehmungen künstlerisch bewahrter Zeitaufnahmen. Dabei ist zu erwähnen, dass die gemeinsame Zeit, die die beiden, während Stipendienaufenthalten in Korea (2017) und Japan (2019) verbracht haben, den Ausgangspunkt zu dieser Ausstellung bildet und damit selbst diese Zeit und die jeweiligen künstlerischen Reflektionen zu thematisiert.
Sebastian Maiwind bat Menschen in Korea um 8 Minuten Lebenszeit und scheint mit seinen Lochkamera-Portraits eben diese verstrichene Zeit in den Fotografien eingefangen zu haben. Wie die Portraitierten selbst, ist auch die Zeit ständig in Bewegung, in Veränderung, schreitet voran, vergeht. Die bei der Langzeitbelichtung auf der lichtempfindlichen Fotoschicht hinterlassenen Bewegungen werden plötzlich als vergangene Zeit sichtbar.
Es ist ein physikalisches Gesetz, dass Energie nicht verschwindet. Sebastian Maiwind ist überzeugt, dass durch den analogen Arbeitsprozess die Energie des Fotografierten am Ende auch auf den Arbeiten sichtbar und spürbar bleibt. So entwickeln auch die beiden anderen Arbeiten eine besondere Tiefe und Vielschichtigkeit: die Serie »Changwon Eden« zeigt wilde, im Stadtbereich von Menschen angelegte Nutzgärten und die Serie »formare« spürt kleine, eher unauffällige Veränderungen der Erdoberfläche auf, welche im Laufe der Zeit nicht von Menschen sondern von Tieren, von Pflanzen, vom Wetter oder Wasser hervorgerufen wurden.
So entwickelt Ramona Seyfarth durch die Aufnahmen von bis zu 4000 Bildern, die sie an spezifischen Orten wie etwa auch in der Koreanischen Stadt ChangWon gemacht hat. Durch die Aufnahme von 24 Stunden in der Stadt Changwong und deren Auflösung in Einzelbilder schafft sie durch deren Montage eigene Bilder. Die Verdichtung dieser Bilder legt auf rätselhafte Weise etwas Verbindendes offen, - eine Art ähnlichen ästhetischen Klang oder vielleicht auch eine geheime universale Idee hinter den tatsächlichen konkreten Bildern?
In der Serie Knots dagegen verknotet sie weißes Garn in mehreren Generationsfolgen: Die einfache Knotung in der ersten Generation, die Vernotung des verknotenen Garnes in der zweiten Generation und in der dritten die Verknotung des bereits verknoteten Garns. So entstehen kleine amorphe Skulpturen, die selbst zum Träger der Zeit werden und in ihrer Schönheit das Bild aufleuchten lassen, das Michael Ende in seinem Roman „Momo“ von den Zeitblumen entwirft.
Es ist uns eine besondere Freude diese Ausstellung am 21. Juli um 19.30 im Gespräch mit den beiden KünstlerInnen über Zeit, Wahrnehmung, Erinnerung und künstlerische Zeitbewahrungstechniken zu eröffnen. „8 min“ werden sich also noch zeitlich ausdehnen bis zum 27. August und die Reflektion über Zeit für den Betrachter länger als die tatsächlichen 8 Minuten hinaus offenhalten.
Text: Marieken Matschenz